Bildgestaltung in der Naturfotografie

von Julius Kramer | 19.09.2025 | Tips und Tricks

Als ich mit der Naturfotografie angefangen habe, dachte ich: Hauptsache Kamera draufhalten und ein scharfes, korrekt belichtetes Bild machen, was nicht zu sehr rauscht. Doch schnell merkte ich – ohne gute Bildgestaltung in der Naturfotografie wirken selbst die schönsten Motive flach.

Vielleicht hast du das auch schon erlebt: Die Landschaft ist atemberaubend, das Foto danach eher enttäuschend. Der Unterschied liegt im Bildaufbau.

In diesem Artikel zeige ich dir die wichtigsten Gestaltungsregeln für Fotografie und einfache Fotografie Tipps für Anfänger, mit denen du deine Naturfotos sofort verbessern kannst – ganz ohne teure Ausrüstung, dafür mit einem geschulten Blick.


Grundprinzipien der Bildgestaltung in der Fotografie

Die Bildgestaltung in der Naturfotografie folgt keinem starren Regelwerk – es gibt keine Pflicht, wie ein gutes Foto aussehen muss. Aber: Einige Prinzipien haben sich bewährt, weil sie dem Betrachter helfen, ein Bild leichter zu „lesen“ und es dadurch spannender oder harmonischer wirkt. Ich erkläre dir die wichtigsten so, dass du sie auch dann verstehst, wenn du bisher noch nie bewusst über Bildaufbau nachgedacht hast.

Proportionen: Drittelregel und Goldener Schnitt

Vielleicht hast du schon mal vom „Goldenen Schnitt“ gehört. Er stammt ursprünglich aus der Kunst und beschreibt eine Aufteilung, die unser Auge besonders angenehm findet. Die Fotografie hat das vereinfacht – zur sogenannten Drittelregel. Dabei teilst du dein Bild gedanklich in neun gleich große Kästchen (zwei Linien waagrecht, zwei Linien senkrecht). Statt dein Motiv genau in die Mitte zu setzen, platzierst du es leicht versetzt – auf einer dieser Linien oder Schnittpunkte.

Das wirkt deshalb besser, weil das Auge Abwechslung liebt. Ein Baum genau in der Mitte sieht schnell langweilig aus. Stellst du ihn dagegen ins linke Drittel, bleibt rechts Platz für die Landschaft und das Foto wirkt spannender. Für dich als Anfänger heißt das: Stelle dein Motiv bewusst etwas neben die Mitte. Du wirst sofort sehen, wie lebendiger dein Bild wirkt.

Drittelregel in der Naturfotografie auf einem Murmeltierbild.
Das Murmeltier wurde mit Hilfe der Drittelregel im Bild platziert.
Goldener Schnitt auf einem Bild der Malediven.
Landschaftsbild mit „Goldenem Schnitt“

Flächen im Bild

Neben Linien spielen auch Flächen eine wichtige Rolle. Damit sind größere Bereiche im Foto gemeint, zum Beispiel der Himmel, eine Wiese, ein See oder ein Fels. Flächen können beruhigen oder Spannung erzeugen – je nachdem, wie du sie einsetzt.

  • Große, ruhige Flächen wie Himmel oder Wasser geben dem Motiv Raum. Sie lassen es „atmen“ und wirken beruhigend.
  • Strukturierte Flächen wie ein Wald voller Bäume oder eine Blumenwiese können Bewegung ins Bild bringen, weil sie das Auge mit vielen Details beschäftigen.

Wenn ich fotografiere, achte ich deshalb immer darauf: Welche Fläche dominiert das Bild? Ist es zu viel Himmel? Ist es ein dichter Wald? Und passt das zur Stimmung, die ich zeigen will?

Flächen und Punkte: Giraffen als Beispiel für Negativen Raum.
Die Giraffen wirken unter der riesigen Fläche des bewölkten Himmels winzig klein. Fläche und Punkt sind hier extreme Kontraste.

Punkte im Bild

Neben Linien und Flächen gibt es in der Bildgestaltungstheorie auch Punkte. Ein Punkt muss nicht wörtlich klein sein – es kann auch ein einzelnes, klar erkennbares Motiv sein: ein Vogel auf einem Ast, ein Boot auf dem See oder ein Mensch in einer weiten Landschaft.

Das Spannende ist: Unser Auge sucht automatisch nach solchen Punkten. Es bleibt dort hängen, selbst wenn drum herum viel los ist. Setzt du also einen „Punkt“ bewusst in dein Bild – und zwar an eine interessante Stelle (z. B. nach der Drittelregel) – bekommt dein Foto sofort mehr Klarheit.

Ein Tipp aus meiner Praxis: Stelle dir die Frage: „Wohin schaut man zuerst, wenn man dieses Foto sieht?“ – Wenn die Antwort nicht eindeutig ist, fehlt deinem Bild vielleicht ein klarer Punkt.

Ein Bartgeier ist ein Punkt vor der Bergkulisse.
Unser Auge wird von dem fliegenden Bartgeier magisch angezogen - auch wenn er nur ein Punkt im Bild ist.

Linienführung – aufsteigend, absteigend und diagonal

Linien sind eines der stärksten Werkzeuge in der Bildgestaltung für Naturfotografie. Sie müssen nicht immer tatsächlich sichtbar sein – auch die Anordnung von Elementen kann eine Linie ergeben. Das Auge folgt diesen Strukturen automatisch.

  • Aufsteigende Linien: Wenn eine Linie im Bild nach oben führt (z. B. ein Weg, der zu einem Berggipfel hinauf verläuft), wirkt das Bild oft hoffnungsvoll, optimistisch und dynamisch. Es vermittelt Bewegung nach oben und zieht den Blick in die Höhe.
  • Absteigende Linien: Führen Linien nach unten (z. B. ein Bach, der einen Hang hinabfließt), entsteht häufig eine ruhigere oder sogar melancholische Stimmung. Solche Kompositionen eignen sich gut, um Nachdenklichkeit oder Gelassenheit auszudrücken.
  • Horizontale Linien: Sie vermitteln Ruhe und Stabilität. Ein gerader Horizont über einem See oder Meer strahlt Gelassenheit aus. Ich nutze horizontale Linien gerne, wenn ich eine friedliche, weite Stimmung zeigen möchte.
  • Vertikale Linien: Baumstämme, Felsen oder Wasserfälle, die das Bild in der Höhe strukturieren, wirken kräftig und monumental. Sie betonen Stärke und Standhaftigkeit.
  • Diagonale Linien: Sie bringen Spannung ins Foto. Ein Weg, der schräg durchs Bild läuft, oder ein Ast, der diagonal ins Motiv hineinragt, wirkt dynamisch und aufregend. Diagonalen sind ideal, um Bewegung oder Dramatik zu betonen.
  • Kurven und S-Linien: Besonders beliebt ist die „S-Linie“ – etwa ein geschwungener Fluss oder ein Weg, der sich durch die Landschaft schlängelt. Sie führt das Auge spielerisch durchs Bild und erzeugt Harmonie.

Praxis-Tipp: Achte schon beim Aufbau, wohin deine Linien führen. Idealerweise leiten sie den Blick ins Bild hinein oder direkt zum Hauptmotiv. Linien, die das Auge „hinausführen“, lassen ein Foto dagegen schnell unruhig oder unvollständig wirken.

Ein Fluss führt in die Tiefe.
Die Linie das Flusses führt in die Tiefe.
Bärlauch mit Baumstamm
Die absteigende Linie des liegenden Baumstammes bringt sehr viel ruhe in das Chaos des Bärlauchwaldes.

Negativer Raum – die Kraft der Leere

Negativer Raum bedeutet nicht, dass dein Bild leer oder unvollständig ist. Im Gegenteil: Er ist ein bewusst eingesetztes Stilmittel, das deinem Motiv mehr Bedeutung gibt. Gemeint sind die Flächen im Bild, die nicht direkt mit Details gefüllt sind – zum Beispiel ein klarer Himmel, eine Wasserfläche oder eine Schneefläche.

  • Wirkung von Freiraum: Stell dir vor, du fotografierst einen einzelnen Vogel am Himmel. Wenn du den Himmel groß im Bild lässt, wirkt der Vogel klein und verletzlich – ein Bild über Weite oder Einsamkeit. Füllst du den Himmel nicht aus, sondern zoomst heran, verliert das Bild diese Wirkung.
  • Spannung durch Leere: Ein einzelner Baum in einer großen Wiese oder ein Stein in einer ruhigen Wasserfläche wirkt stärker, wenn um ihn herum viel Freiraum bleibt. Das Auge konzentriert sich automatisch auf das Hauptmotiv.
  • Balance im Bild: Negativer Raum sorgt für Ruhe und Ausgleich. Wenn ein Teil des Bildes sehr detailreich ist, hilft eine freie Fläche auf der anderen Seite, das Foto wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Als Anfänger hatte ich oft das Gefühl, dass ich die „leeren“ Flächen füllen muss, damit das Bild nicht langweilig wirkt. Heute nutze ich genau diese Leere bewusst, weil sie Motive klarer und kraftvoller wirken lässt. Weniger ist manchmal wirklich mehr.

Kohlmeise auf Ast
Kohlmeise, recht langweilig auf einem geraden Ast. Technisch top, gestalterisch flopp.
Kohlmeise auf spannendem Ast.
Etwas mehr Raum und mehr Ast und schon ist das Bild interessanter.

Den Blick des Betrachters lenken

Ein Foto erzählt immer eine Geschichte – und du entscheidest, wie der Betrachter sie liest. In meinen ersten Jahren habe ich oft einfach draufgehalten und gehofft, dass das Bild schon interessant wirkt. Heute gehe ich anders vor: Ich überlege mir vor dem Auslösen, wie der Blick durchs Foto wandern soll.

  • Führende Linien: Straßen, Pfade oder Flüsse sind perfekte Werkzeuge, um den Blick ins Bild zu ziehen. Besonders stark wirkt es, wenn sie zum Hauptmotiv führen – etwa ein Weg, der direkt zu einem Baum oder einer Person verläuft.
  • Natürliche Rahmen: Ein Ast, ein Felsbogen oder sogar Schatten im Vordergrund können wie ein Rahmen wirken. Ich nutze das gerne bei Tierfotografie: Wenn ein Reh zwischen zwei Bäumen steht, bekommt das Bild sofort mehr Tiefe.
  • Licht und Kontraste: Manchmal reicht ein Sonnenstrahl, der genau auf das Motiv fällt, um es hervorzuheben. Auch Silhouetten im Gegenlicht können unglaublich spannend sein.
Bärlauchwald im Frühling
„Vordergrund bunt - Bild gesund“ gibt diesem Bild sehr viel Tiefe

Praktische Tipps für Anfänger in der Naturfotografie

  • Weniger ist mehr: Wähle ein klares Hauptmotiv. Wenn zu viele Elemente im Bild konkurrieren, wirkt es schnell chaotisch.
  • Perspektive wechseln: Lege dich ruhig mal ins Gras oder steige auf einen Hügel. Ein neuer Blickwinkel verändert oft die ganze Bildwirkung.
  • Geduld: Viele meiner Lieblingsfotos sind nur entstanden, weil ich lange gewartet habe. Ob ein Tier auftaucht oder das Licht perfekt fällt – gute Bilder brauchen Zeit.
  • Licht nutzen: Morgens und abends ist das Licht weicher und wärmer. Ich fotografiere selten mittags, weil das Licht hart und wenig schmeichelhaft ist.
  • Üben, üben, üben: Je öfter du mit offenen Augen durch die Natur gehst, desto besser wirst du Linien, Muster und Kompositionen erkennen.

Häufige Fehler vermeiden

Fehler gehören dazu – ich habe sie alle gemacht. Aber genau daraus lernst du am schnellsten. Hier ein paar typische Stolperfallen:

  • Zentrale Platzierung: Ein Motiv mitten im Bild wirkt oft statisch und langweilig. Probier stattdessen die Drittelregel.
  • Schiefer Horizont: Nichts zerstört eine Landschaft so sehr wie ein schiefer Horizont. Ich achte inzwischen fast automatisch darauf.
  • Unruhige Hintergründe: Ein Ast oder ein heller Fleck kann das ganze Motiv stören. Bevor ich auslöse, schaue ich immer, ob der Hintergrund sauber ist.
  • Zu viel ins Bild packen: Ich wollte früher immer „alles“ fotografieren. Heute konzentriere ich mich lieber auf ein starkes Motiv und lasse den Rest weg.

Mir passiert das immer noch ständig und ist völlig normal.


Kreative Ansätze in der Bildgestaltung

Sobald du die Grundregeln verinnerlicht hast, kannst du anfangen, sie zu brechen. Genau das macht oft den Unterschied zwischen einem guten und einem außergewöhnlichen Bild. Ich selbst habe viel experimentiert – manche Ideen funktionieren nicht, andere überraschen mich bis heute.

  • Symmetrien und Spiegelungen: Ein See, der Berge spiegelt, oder eine Pfütze nach dem Regen – solche Motive wirken fast magisch.
  • Makroaufnahmen: Eine Libelle auf einem Blatt oder die Struktur einer Blume eröffnen eine ganz neue Welt.
  • Silhouetten und Gegenlicht: Ich liebe es, wenn ein Baum oder ein Tier als schwarze Form vor einem farbigen Himmel erscheint.
  • Schwarz-Weiß: Ohne Farbe tritt die Form in den Vordergrund. Das kann bei nebligen Landschaften oder starken Kontrasten sehr spannend sein.
  • Ungewöhnliche Formate: Probiere auch mal Quadrat oder Panorama – manchmal passt das besser als das klassische Querformat.

Am meisten Spaß macht es mir, wenn ich bewusst mit Regeln spiele: Manchmal setze ich ein Motiv ganz zentral, um Ruhe zu erzeugen. Oder ich überbelichte leicht, um eine helle, luftige Stimmung zu schaffen. Dein eigener Stil entwickelt sich mit der Zeit – trau dich, auszuprobieren.


Fazit

Die Bildgestaltung in der Naturfotografie ist kein Hexenwerk, sondern eine Frage des bewussten Sehens. Als ich angefangen habe, habe ich mich oft geärgert, dass meine Fotos nicht so wirkten, wie ich sie erlebt habe. Mit den Jahren habe ich verstanden: Technik allein reicht nicht – die Bildgestaltung macht den Unterschied.

Wenn du die Gestaltungsregeln der Fotografie wie Drittelregel, Linienführung oder Vordergrundgestaltung nutzt, wirst du schnell merken, wie deine Naturfotos besser werden. Gleichzeitig darfst du kreativ sein und Regeln brechen – genau hier entstehen oft die spannendsten Bilder.

Mein wichtigster Rat: Übe so oft wie möglich. Gehe mit offenen Augen durch die Natur, achte auf Details und probiere verschiedene Perspektiven aus. Jeder Klick bringt dich weiter. Ich habe selbst erlebt, wie meine Bilder mit jeder Übung besser wurden – und dieser Prozess hört nie auf.

Also: Nimm deine Kamera, geh raus, und fang an, deine eigenen Geschichten mit der Natur zu erzählen. Viel Spaß dabei!

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