Dieses Jahr führte unsere Fotoreise den Wildlifepaparazzo Joachim Raff und mich in den wilden Norden Europas – nach Norwegen. Unser Ziel: Eine der faszinierendsten Eulenarten überhaupt in ihrer natürlichen Umgebung zu fotografieren – die Sperbereule (Surnia ulula).
Die Sperbereule ist eine außergewöhnliche Erscheinung in der Welt der Eulen. Als einzige Art in der Gattung Surnia unterscheidet sie sich nicht nur optisch von anderen Eulenarten, sondern auch in ihrem Verhalten. Diese tagaktive Eule bewohnt die lichten Nadelwälder der borealen Zone und bevorzugt Landschaften mit einer Mischung aus offenen Grasflächen, locker stehenden Bäumen und vor allem einem hohen Vorkommen von Wühlmäusen – ihrer Hauptnahrung.
Sperbereule fotografieren – ein Spiel aus Glück und Geduld
Was die Wildlife-Fotografie von Sperbereulen so besonders macht, ist ihre Unvorhersehbarkeit. Da sie großen Streifgebieten folgen, auf der ständigen Suche nach Nahrung, ist es kaum planbar, wo sie sich in einem bestimmten Jahr aufhalten. Noch seltener ist es, zur Brutzeit auf ein aktives Nest zu stoßen.
Während man Sperbereulen im Winter deutlich leichter beobachten und fotografieren kann – da sie sich stark auf die Jagd konzentrieren – ist der Sommer deutlich anspruchsvoller. Die Tiere sind scheuer, mobiler und häufig durch die Aufzucht ihrer Jungen abgelenkt.
Umso größer war unser Glück, als wir zufällig auf einem norwegischen Parkplatz auf einen einheimischen Fotografen trafen, der uns verschwörerisch Bilder von gerade eben fotografierten Sperbereulen zeigte. Die genaue Stelle wollte er zwar nicht verraten, aber wir konnten die Spur aufnehmen – und fanden nach einiger Suche tatsächlich eine kleine Sperbereulen-Familie in einem abgelegenen Waldstück.

Nah dran: Beobachtungen aus dem Tarnzelt
Für mehrere Tage verbrachten wir nahezu ununterbrochen Zeit bei den Eulen – meist aus dem Tarnzelt heraus. Anfang Juni waren die Jungvögel bereits ausgeflogen und hielten sich als sogenannte „Ästlinge“ im Geäst auf. Sie wurden nur noch ein- bis zweimal täglich gefüttert – ein Zeitfenster, das uns leider keine spektakuläre Fütterungsszene bescherte, trotz vieler Stunden des geduldigen Wartens.
Besonders beeindruckend war die Arbeitsteilung bei den Altvögeln: Ein Elternteil blieb stets in der Nähe der Jungtiere, während der andere auf Beutefang ging. Kam dieser mit einer Maus zurück, übergab der Wächter sie und kümmerte sich um die Fütterung der Ästlinge.
Vorsicht, Luftangriff!

Wie viele Eulenarten verteidigen auch Sperbereulen ihre Brut vehement. Schon beim Annähern an das Revier kann es passieren, dass man plötzlich angeflogen wird – ohne das Jungtier im Geäst überhaupt bemerkt zu haben. Diese Angriffslust mag für Wanderer unerwartet kommen, ist aber für Fotografen ein wertvoller Hinweis: Wenn ein Altvogel laut schimpft oder in der Nähe auffällig aktiv ist, ist der Nachwuchs meist nicht weit.
Fazit: Wildlife-Fotografie zwischen Licht und Regen
Nach einigen intensiven Tagen voller spannender Beobachtungen machte uns das typisch norwegische Wetter schließlich einen Strich durch die Rechnung. Starke Regenfälle zwangen uns zum Abbruch – aber nicht ohne die Gewissheit, ein einmaliges Erlebnis im Gepäck zu haben.
Die Begegnung mit der Sperbereule bleibt für uns eines der Highlights der letzten Jahre in der Wildlife-Fotografie. Ihre Eleganz, ihre Wildheit und das besondere Habitat machen Surnia ulula zu einem echten Juwel für Naturbeobachter und Fotografen.
In einem kommenden Artikel erzähle ich mehr über unsere weiteren Abenteuer auf dieser Norwegenreise.