Ein warmer, sonniger Nachmittag im August: Ich besuche den Meidlinger Friedhof in Wien, um nach Feldhamstern Ausschau zu halten. Die Atmosphäre auf dem Friedhof ist friedlich – im östlichen, alten Teil der Anlage reihen sich historische Grabsteine unter schattigen Bäumen. Genau hier, in diesem idyllischen Umfeld, hoffe ich, die scheuen Feldhamster vor die Linse zu bekommen. Meine Geduld zahlt sich aus: Tatsächlich entdecke ich zwei Feldhamster. Einer huscht flink von einem Grabstein zum nächsten, während der andere vor seinem Bau sitzt und in aller Ruhe frisst. Die kleinen Nager zwischen den verwitterten Grabreihen wirken fast unwirklich. Es ist beeindruckend, diese seltenen Wildtiere mitten in der Großstadt und umgeben von historischen Gräbern zu beobachten.
Auch andere Tiere kreuzen an diesem Tag meinen Weg. Ein Eichhörnchen klettert rasch einen Baum hinauf – deutlich scheuer als die gewitzten Hamster. Einige Nebelkrähen hingegen hüpfen neugierig umher, immer in der Hoffnung auf Futter von Friedhofsbesuchern. Man merkt schnell: Hier wurden die Tiere wohl häufig angefüttert, denn die Krähen haben ihre Scheu verloren und beobachten mich erwartungsvoll.
Wildtiere nicht füttern!
Während meines Rundgangs treffe ich auf zwei andere Fotografen. Einer von ihnen lockt tatsächlich einen Hamster mit Futter an – was ich überhaupt nicht gutheiße. So niedlich und zutraulich die Feldhamster in Wien auch wirken mögen, echtes Verantwortungsbewusstsein bedeutet, Wildtiere nicht zu füttern. Ständiges Anfüttern kann Tiere nämlich von ihrer natürlichen Nahrungssuche abbringen. Feldhamster und andere Tiere gewöhnen sich an tägliche Fütterungen und vernachlässigen ihre eigene Nahrungssuche, statt sich abwechslungsreich von natürlichen Quellen zu ernähren. Zudem kann ihr natürliches Verhalten gestört werden – etwa verändern die Tiere ihre Aktivitätszeiten in Erwartung von Futter.
Abgesehen davon ist das Füttern von wild lebenden Feldhamstern auch nicht nötig und – da sie streng geschützt sind – nicht erlaubt. Ein ehrlicher Naturfreund respektiert die Bedürfnisse der Tiere: Er freut sich an ihrem natürlichen Verhalten, hält gebührenden Abstand und greift nicht störend ein. Wildtiere zu füttern mag gut gemeint sein, ist aber aus mehreren Gründen problematisch und oft sogar verboten. Insbesondere beim streng geschützten Feldhamster ist größte Vorsicht geboten, denn jede störende Einwirkung könnte ihnen schaden.
Ausrüstung und fotografische Technik
Für die Tierfotografie habe ich an diesem Tag meine Nikon Z8 im Gepäck, kombiniert mit einem 500 mm f/4 Teleobjektiv. Diese lange Brennweite erlaubt es, genügend Distanz zu den scheuen Hamstern zu wahren und sie trotzdem formatfüllend abzulichten. Die Kamera montiere ich auf ein bodennahes Stativ mit Videoneiger, um möglichst auf Augenhöhe mit den kleinen Nagetieren fotografieren zu können. Aus der Froschperspektive ergeben sich besonders eindrucksvolle Aufnahmen – der Hamster hebt sich vor dem unscharfen Hintergrund schön ab. Gleichzeitig bleibt die Kamera durch das Stativ stabil, und ich kann ruhig auslösen, ohne die Tiere zu stören. Geduld und leises Verhalten sind dabei essenziell: Jede hastige Bewegung könnte die aufmerksamen Feldhamster in ihre Bauten verschwinden lassen.
Die besten Chancen, Feldhamster aktiv zu erleben oder zu fotografieren, hat man frühmorgens und gegen Abend. In diesen Dämmerungsstunden verlassen die dämmerungsaktiven Tiere ihre Bauten – auch am Friedhof – und gehen auf Nahrungssuche, während tagsüber meist nur gähnende Leere vor den Hamsterhöhlen herrscht.
Feldhamster in Wien – Fakten
Der Europäische Feldhamster ist in Europa heute nur noch stellenweise anzutreffen und gilt als gefährdet. In Wien steht er gemäß Wiener Naturschutzgesetz unter strengem Schutz.In Wien gibt es vor allem in den Bezirken 10 bis 12 sowie 21 bis 23 Feldhamster; man findet sie dort überwiegend in Parks und auf Friedhöfen. Auch der Meidlinger Friedhof im 12. Bezirk gehört zu diesen Lebensräumen.
Ein ausgewachsener Feldhamster kann bis zu 30 cm lang werden. – deutlich größer als ein Goldhamster. Auffällig ist seine Fellzeichnung: Oberseite rotbraun, Flanken weiß gefleckt, Bauchseite tiefschwarz.
Feldhamster leben als Einzelgänger in selbstgegrabenen Erdbauen. Einen Großteil des Tages verbringen sie unterirdisch und halten dort von Oktober bis März Winterschlaf. Sie sind vorwiegend dämmerungsaktiv und kommen meist erst gegen Abend aus ihren Bauen, um auf Nahrungssuche zu gehen. Die Tiere fressen vorwiegend Pflanzliches (Samen, Grünpflanzen, Früchte), nehmen aber auch Insekten oder andere Kleintiere zu sich. Im Herbst legen sie in ihren Vorratskammern Wintervorräte an, von denen sie zehren, falls sie zwischendurch aus dem Winterschlaf erwachen.
Wehrhafter Winzling – Verteidigung mit Backentaschen und schwarzem Bauch
Man darf sich von der possierlichen Erscheinung nicht täuschen lassen: Feldhamster können sich bei Gefahr äußerst wehrhaft zeigen. Fühlt sich der kleine Nager bedroht, fährt er eine beeindruckende Verteidigungsstrategie auf. Er richtet sich auf die Hinterbeine auf und faucht laut – dabei kann er sogar seine dehnbaren Backentaschen aufblasen, um noch größer zu wirken. Besonders markant präsentiert der Feldhamster dem Feind seine pechschwarze Bauchseite, die von den weißen Flankenflecken gesäumt ist. Aus der Perspektive eines Angreifers sieht das schwarz-weiße Bauchfell plötzlich aus wie ein weit aufgerissener Rachen mit Zähne. Viele Beutegreifer lassen sich von dieser überraschenden Drohgebärde einschüchtern und ergreifen die Flucht. Oft genügt der kurze Augenblick des Zögerns, damit der Hamster blitzschnell in einem nahen Bau oder einem senkrechten Fluchttunnel im Boden verschwinden kann. Auf Fressfeinde wie Greifvögel, Füchse oder Marder mag diese Taktik abschreckend wirken – wir Menschen hingegen finden einen fauchenden, wütenden Feldhamster meist einfach nur reizend, auch wenn er sein Bestes gibt, gefährlich zu erscheinen.
Weitere Orte für Feldhamster in Wien
Der Meidlinger Friedhof im 12. Bezirk hat sich als echter Geheimtipp erwiesen, um Feldhamster in Wien hautnah zu beobachten. Doch es ist nicht der einzige Ort: Wien beherbergt mehrere Hamster-Hotspots, an denen Naturfreunde mit etwas Glück die possierlichen Nager sehen und fotografieren können. Hier einige bekannte Orte:
- Wiener Zentralfriedhof (11. Bezirk) – Der größte Friedhof Wiens ist berühmt für seine Feldhamsterpopulation. Zwischen den Gräbern des Zentralfriedhofs kann man im Sommer regelmäßig die geschützten Nager beobachten. Für viele Tierfotografen gilt der Zentralfriedhof als Top-Spot, um Feldhamster zu fotografieren, insbesondere in den weniger frequentierten, naturbelassenen Bereichen. Früh morgens und spätnachmittags sind die Chancen auf Sichtungen hier am höchsten.
- Sankt Marxer Friedhof (3. Bezirk) – Ein ehemaliger Friedhof, der seit 1874 als Park genutzt wird. Die alten Grabsteine (hier befindet sich u.a. Mozarts Grabdenkmal) bieten auch Lebensraum für einige wenige Feldhamster. Zwar ist die Population dort klein, aber Hamsterbaue finden sich zwischen manchen Gräbern, vor allem nahe dem Eingang auf der rechten Seite. . Der Park ist tagsüber geöffnet (ca. 6:30 bis 18:30 Uhr).
- Martin-Luther-King-Park (10. Bezirk) – Eine Grünanlage in Favoriten, unweit des Wienerbergs. Trotz zwischenzeitlicher Bauarbeiten wurden hier weiterhin Feldhamster gesichtet. Der Park ist öffentlich zugänglich (24 Stunden geöffnet) und bietet insbesondere am frühen Abend gute Beobachtungsmöglichkeiten, wenn die Tiere aus ihren unterirdischen Bauen kommen.
- Volkspark Laaerberg (10. Bezirk) – Ein Park am Laaer Berg, ebenfalls im Bezirk Favoriten. Feldhamster bewohnen hier nicht nur den Park selbst, sondern auch die begrünten Bereiche zwischen den angrenzenden Wohnhausanlagen im Süden des Parks. Wer aufmerksam die Wiesen und Gebüsche absucht, kann auch hier auf Hamster stoßen. Da der Park jederzeit offen ist, lohnt sich ein Besuch früh am Morgen oder am Abend.
Insgesamt hat sich dieser Ausflug als äußerst lohnenswert erwiesen. Es war faszinierend, die streng geschützten Feldhamster mitten in der Großstadt Wien zu beobachten und zu fotografieren. Dieses Erlebnis führt eindrucksvoll vor Augen, welche überraschende Tierwelt Wien zu bieten hat. Wenn wir als Naturfreunde ein paar Grundregeln einhalten – Abstand halten, nicht füttern und die Tiere sowie ihre Lebensräume respektieren – stehen die Chancen gut, solche Begegnungen stressfrei für Tier und Mensch zu erleben. Der Meidlinger Friedhof war in meinem Fall ein wahrer Glücksgriff: ein Ort, an dem man Feldhamster in Wien aus nächster Nähe fotografieren kann, ohne die Stadt verlassen zu müssen. Jede Begegnung mit den wilden Hamstern ist ein kleines Stück Naturwunder im urbanen Alltag – und genau solche Momente machen die Großstadt für mich immer wieder lebendig und spannend.